Mit Abschluss des Wirtschaftsjahres 2020 bietet sich jetzt der ideale Zeitpunkt, um sich mit den neuen steuerlichen Bestimmungen auseinanderzusetzen. In diesem Artikel finden Sie alle relevanten Informationen zu den neuen Finanzierungswegen für Innovationen von Industrieunternehmen – im Besonderen von solchen, die sowohl in Frankreich als auch in Deutschland tätig sind.
Einführung der steuerlichen Förderung für FuE und Innovation in Deutschland
Seit Januar 2020 haben Unternehmen mit Sitz in Deutschland haben die Möglichkeit, Personalkosten aus FuE- und Innovationsprojekten anteilig über die Forschungszulage steuerlich zurückzuerstatten. Unternehmensgröße und -sektor spielen dabei keine Rolle, solange die Projekte FuE-Aktivitäten vorweisen. Insbesondere bei international agierenden Firmen wie B.Braun – einer der führenden Hersteller von Medizintechnik- und Pharma-Produkten und Dienstleistungen – findet durch die neue Forschungszulage ein Umdenken der Finanzierungsstrategie für Innovationen statt.
B.Braun organisiert seine FuE-Aktivitäten in Kompetenzzentren an verschiedenen Standorten weltweit, darunter auch in Deutschland und Frankreich. Laut Christophe Peressoni, COO von B.Braun Avitum Frankreich, sind die FuE-Teams der Zentren international verbunden und arbeiten in den Projekten eng zusammen. In Ergänzung zur Innovationsfinanzierungsstrategie für den französischen Markt will B.Braun mit der Forschungszulage nun auch seine FuE-Projekte in Deutschland vorantreiben.
Doch worum handelt es sich bei der Forschungszulage genau und inwiefern unterscheidet sie sich von ihrem französischen Vorbild?
Die steuerlichen Fördersysteme in Deutschland und Frankreich – ein Vergleich
Anders als Frankreich, das auf eine fast 40-jährige Erfahrung zurückblicken kann, steht Deutschland mit der Implementierung der Forschungszulage noch ganz am Anfang. Die Reglementierungen des deutschen Systems der steuerlichen Förderung für Innovation sind somit kaum ausgereift und weniger spezifisch als in Frankreich. Dadurch lassen sie den Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt noch einen gewissen Interpretationsspielraum offen.
In Frankreich wird nun seit einigen Jahren etwa zwischen der „Steuergutschrift für Forschung“ (CIR – crédit d’impôt recherche) und der „Steuergutschrift für Innovation“ (CII – crédit d’impôt innovation) unterschieden. Entsprechend werden auch die Unternehmensprojekte nach ihrem Stadium und ihrer Phase im Innovationsprozess unterteilt in F&E oder Innovation, wobei zusätzlich ihre Unternehmensgröße eine Rolle spielt: Der CII ist ausschließlich für Startups und KMUs verfügbar. In Deutschland gibt es dagegen nur ein Förderinstrument („Forschungszulage“), das die industrielle Forschung und Entwicklung betrifft und bei jeglicher Unternehmensgröße beantragt werden kann.
Zudem haben auch die förderfähigen FuE-Ausgaben für steuerliche Rückerstattung in Deutschland zunächst eine einfache Struktur: Förderfähig sind Personalkosten und Auftragsforschung. Unter Personalkosten verstehen sich dabei einzig die internen, für FuE-Aktivitäten aufgewendeten Kosten, wie etwa für Fachkräfte, die für das förderfähige Vorhaben eingesetzt wurden. Die förderfähigen Anteile der internen Personalkosten belaufen sich dabei auf maximal 25%. Auch Forschungen, die von begünstigten Unternehmen bei anderen Unternehmen oder Forschungsinstitutionen in Auftrag gegeben wurden, sind mit bis zu 60% der Kosten förderfähig. Die Auftragsforschung muss dabei nicht in Deutschland sein, sondern kann innerhalb der EU und des EWR erfolgen. Insgesamt ist beim Gesamtfördervolumen jedoch eine maximale Förderhöhe einer Million Euro pro Jahr und Konzerngesellschaft festgelegt. In Frankreich hingegen gibt es mehrere Kostenkategorien, die über die Personalaufwendungen hinausgehen und beispielsweise auch Investitionen in Technik und Ausstattung berücksichtigen. Auch Auftragsforschungen sind in Frankreich förderfähig, wodurch Auftragnehmer indirekt von der Steuergutschrift profitieren können. Die Fördervolumen in Frankreich sind jedoch nicht durch eine maximale Förderhöhe begrenzt.
Schließlich verläuft auch die Antragstellung in den beiden Ländern unterschiedlich. Im französischen System erfolgt diese direkt beim Finanzamt, sodass sowohl der Antrag als auch die Entscheidung über die Förderfähigkeit bei der Behörde liegen. Das deutsche System dagegen teilt sich in zwei einzelne Schritte auf. Zuerst müssen Unternehmen für jedes FuE-Projekt eine FuE-Bescheinigung beantragen, mit welcher die Förderfähigkeit ihres Projektes bestätigt wird. Erst wenn die FuE-Bescheinigung erteilt ist, können sie im zweiten Schritt den Antrag auf Forschungszulage beim zuständigen Finanzamt einreichen. Für mehrjährige Projekte wird dabei jedoch nur ein Zertifikat beantragt. Die Auftragnehmer der FuE-Aktivitäten benötigen derzeit in Deutschland hingegen keine Zertifizierung, wie es in Frankreich der Fall ist.
Integration der deutschen Forschungszulage in die Finanzierungsstrategie für Innovation
Wie können Firmen wie B.Braun nun ihre Finanzierungsstrategie am besten nach der neuen Gesetzeslage in Deutschland ausrichten?
Mit dieser Fragestellung hat sich das internationale Beratungsunternehmen für Innovationsförderung GAC Group auseinandergesetzt. Als erster Ansatzpunkt empfiehlt es sich, eine Analyse über die internen FuE-Personalausgaben der deutschen Standorte aufzusetzen und zu prüfen, ob das maximale Fördervolumen mit diesen bereits ausgeschöpft wird. Ist dies nicht der Fall, können Unternehmen in einer erweiterten Analyse überprüfen, welche Anteile der FuE-Tätigkeiten als Auftragsforschung angerechnet werden können, insbesondere, wenn es international ausgetragen wird.
Für Unternehmen, die zusätzlich einen Sitz in Frankreich haben, ist die Forschungszulage zudem kombinierbar mit den französischen Steuergutschriften CIR und ggf. CII, indem sie beispielsweise Aufwendungen für Material innerhalb des französischen Systems im Rahmen der Förderung von Auftragsforschung angerechnet werden können.
Dieser Betrag wurde veröffentlicht im deutsch-französische Wirtschaftsmagazin CONTACT der AHK Frankreich, Ausgabe 1. Quartal 2021.